Bergler und ihre Musik als Filmstars
Bote der Urschweiz, 20.8.1993UR-Musig Première im Open-Air Kino Luzern
„Ur-Musig“ ist eine Art Dokumentarfilm und doch keiner. „Ur-Musig“ ist ein Musikfilm und mehr. In „Ur-Musig“ wird kaum gesprochen, dafür viel musiziert. Menschen und Tiere, die ganz nah mit der Natur verbunden leben, laden das Publikum zu einer musikalischen Reise durch die Innerschweiz und das Appenzellerland ein. Cyrill Schläpfers Film ist den eigenwilligen Berglern gewidmet und ganz besonders Rees Gwerder. Die Bergler mischten sich am Dienstag denn auch unters Premieren-Publikum im Open-air-Kino in Luzern.
sc. Rees Gwerder, Ludi Hürlimann, Sity Domini und die Mosibuebä, spielten in Luzern am Alpenquai neben der riesigen Leinwand auf. Derweilen genoss das Premieren-Publikum Älplermagronen mit Apfelmus. Das Publikum war erstaunlich gemischt. Die volkstümliche Musik schien Grenzen zu überwinden. Neben Leuten vom Muotatal und vom Talkessel Schwyz waren viele Städter auszumachen. Letztere wurden am Dienstag in eine faszinierende Welt entführt, mit der sie längst nicht mehr verwachsen sind. Die musikalischen Ausdrucksformen, die ihnen noch so fremd scheinen mögen, führten sie zurück zu den Wurzeln unserer urtümlichen Volksmusik.
Die Bergler als Hauptfiguren
Der 34 jährige Cyrill Schläpfer hat etwas von Rees Gwerders Eigenwilligkeit. Noch bevor der Film gezeigt wurde, stand er im Scheinwerferlicht. Dies schien ihm nicht zu behagen. „Vor so vielen Leuten habe ich noch nie eine Rede gehalten. Und werde auch hier keine halten.“ So, nun weiss es das Publikum. Mehr gibt es dazu nach vierjähriger Produktionszeit nicht zu sagen. Ausser, dass der Film den Berglern gewidmet ist. Sie sind die Hauptfiguren, werden auf subtile Weise porträtiert. Sie, die Landschaft in der sie leben, ihr Umgang mit den Kühen und Schafen und natürlich ihr Brauchtum, ihre Art, sich musikalisch auszudrücken. Gesprochen wird kaum. Trotzdem ist der Film nicht langweilig. Manchmal erzeugt er schallendes Gelächter, manchmal macht sich eine melancholische Stimmung breit. Auch die Volksmusik hat den „Blues“.
„‘S isch wies isch“
Einer, der den „Blues“ garantiert hat, ist Rees Gwerder. Keiner spielt das Schwyzerörgeli so wie er. Er ist der Star, auch in diesem Film. Als er das erste Mal mit seinem Örgeli auf der riesigen Leinwand auftaucht, ruft einer im Publikum: „Was isch denn de für eine.“ Von dieser Art ist der Humor der Bergler. Ihre Sprüche und Juuzer begleiten die Premiere. Und manchmal bödelet einer im Takt zur Musik. Wir sehen und hören Appenzeller und Schwyzer beim Juuzen, Singen und beim Betruf, den sie zwischen den zum Trichter geformten Händen ins Tal und an Felswänden erschallen lassen. Steile Hänge, schmale Wege, alte Häuser, Männer mit Bärten und abstehenden Ohren und vor allem eigenwillige Stimmen sind in starken Bildern zu sehen, und nie stört die Zivilisation die Harmonie. Aus zu drolligem Ausdruck verzerrten Gesichtern erklingen seltene Klänge, die zu dieser Natur gehören. Hoch hinauf auf abgelegene Alpen muss man gehen, um dies heute noch erleben zu dürfen. Dort gibt es die „Ur-Musig“ noch. Cyrill Schläpfer bringt sie herunter in die Stadt, wo kaum einer mehr dieses Leben kennt. „‘S isch wie‘s isch“, meint Rees Gwerder in der letzten Einstellung des Film. Daran gibt es wohl nichts zu rütteln.